Hochtor by fair means: Bike & Hike im Gesäuse - basecampas.at
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Hochtor by fair means: Bike & Hike im Gesäuse

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Als ich vor einigen Tagen bei Florian – einem Alpenvereinskollegen – las, dass seine Freunde und er den Hochschwab „by fair means“ bestiegen haben, musste ich erst mal Google anwerfen und mir die genaue Definition von „by fair means“ im Bergsteiger-Jargon erklären lassen. Ich fand diese Idee einer Berg-Besteigung ohne technische Hilfsmittel, auch bei der Anreise, genial! Wie praktisch, dass wir gerade Urlaub hatten und das Wetter in den darauffolgenden Tagen schön werden sollte. Ein Berg musste her! Das Hochtor im Gesäuse kam mir sofort in den Sinn – wir hatten damit noch eine Rechnung vom Vorjahr offen (Umkehr wegen Schnee, keine Grödel dabei, gefährlich, siehe Insta-Bild unten). Sandro musste ich dafür nicht lange überzeugen. Nach kurzem Routen-Check war nur noch eine Frage offen: Nehmen wir uns 2 oder 3 Tage Zeit? O-Ton Sandro: „In 3 Tog wird uns deis fix zu leicht!“ O-Ton Anja: „Owa in 2 Tog blea i wieder!“ Spoiler: Ich war knapp dran, habs aber ohne „blean“ geschafft. 😉

Unsere Tourdaten findet ihr auf meinem Komoot-Account.

Abenteuer heißt für uns: Früh aufstehen!

Während wir am Donnerstag letzte Woche die ersten Pedalumdrehungen auf unseren Rennrädern absolvierten, rechneten wir nach, wie oft wir in diesem Jahr bereits um 4 Uhr für irgendwelche „Abenteuer“ aufgestanden sind. Nicht oft, aber wohl oft genug. Im Dunklen und mit vollgepackten Rucksäcken ging es direkt vor der Haustüre los. Nein, dieses Mal keine Satteltaschen, weil wir die Rucksäcke ja auch für die Bergtour gebraucht haben. Sandro hatte seinen 6 l Evoc Rucksack* dabei – die Schuhe mit einer Rebschnur außen befestigt. Ich lieh mir von meiner Mama den größeren Evoc. Grund: Coronabedingt gibt es auf den Hütten derzeit keine Decken in den Lagern. Da ich nach anstrengenden Sporteinheiten immer sehr kälteempfindlich bin, wollte ich auf keinen Fall – so wie Sandro – nur mit Hüttenschlafsack* schlafen. Deshalb hatte ich einen Stoffdecke – ebenfalls von meiner Mama ausgeliehen (Danke! ;)) im Rucksack dabei. Sicher wäre es auch minimalistischer gegangen, ist es aber auch so. Vor allem dank des top Rucksack-Tragesystems. Gutes Material ist nicht alles, aber es erleichtert wirklich sehr vieles.

Mit dem Rennrad zum Hochtor – Ausgangspunkt

Wie schon die Woche davor bei der Fahrt nach Mariazell radelten wir auch dieses Mal über Birkfeld und die Schanz nach St. Marein im Mürztal, um zum Ausgangspunkt für die Hochtor-Bergtour zu gelangen. Von dort ging es dann weiter über Kapfenberg und Bruck an der Mur nach Leoben, wo wir eine längere Spar-Pause einlegten. Wir stärkten uns für die zweite Radhälfte mit dem Präbichl-Pass, dessen Abfahrt sich als unglaublich genial herausstellte.

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Dort wurde uns wieder einmal bewusst, wie wenig man seine Umgebung wahrnimmt, wenn man mit dem Auto unterwegs ist und wie intensiv, wenn man am Rad dieselbe Strecke fährt. Der Weg danach zog sich dann. Vor allem kämpfte Sandro mit Knieproblemen, wodurch auch Anja mal ihre Windschatten-Spende-Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Kurz sah es sogar nach Abbruch aus aber Sandro biss die Zähne zusammen und sein Knie tat es ihm scheinbar gleich: Ab Hieflau stellte sich Beruhigung ein.

Wie immer sind die letzten 10 Kilometer die härtesten, vor allem wenn sich diese als „Schmierer“ herausstellen. Trotzdem war dieser Streckenabschnitt nach Johnsbach im Gesäuse wunderschön. Fast kein Verkehr, entlang eines rauschenden, glasklaren Flusses und immer die Berge im Blick.

Endlich die Ortschaft Johnsbach passiert, bündelten wir nochmal ein paar Kräfte um den Anstieg zum Gasthaus Kölblwirt – dem Ausgangspunkt für die Bergtour auf das Hochtor – zu meistern. Dort durften wir dankenswerterweise unsere Räder in einem versperrten Raum abstellen. Dort wechselten wir auch gleich in unser Wanderoutfit und rasteten dann kurz im Gastgarten bei Kaspressknödelsuppe, Toast und Palatschinken mit Marillenmarmelade.

Vom Radoutfit ins Wanderoutfit: Heiter weiter

Mit gut 160 Kilometern und 2600 Höhenmetern in den Beinen hatte ich mir schwerst beleidigte Muskeln beim Start in den Fußmarsch erwartet. Sowohl Sandro, als auch ich wurden dann aber positiv von unseren Körpern überrascht: Scheinbar tut es den Beinen sogar gut, so aufgewärmt in das andere Bewegungsmuster zu starten. Wir kamen zügig voran. An der ersten und einzigen Abzweigung hieß es dann eine Entscheidung zu fällen. Entweder wir steigen noch heute über das Schneeloch auf den Hochtor-Gipfel und dann – so vermuteten wir – im Dunklen über den Josefinensteig (mit leichten Kletterpassagen) ab und müssten somit am nächsten Tag nur noch ca. 800 Höhenmeter von der Hesshütte zurück zum Kölblwirt gehen. Oder wir steigen – wie ursprünglich geplant „nur“ bis zur Hesshütte auf, gehen früh schlafen, stehen wieder früh auf und klettern in den Tag hinein den Josefinensteig zum Hochtor, müssen dann aber gut 1400 Höhenmeter über das Schneeloch absteigen. Wir kalkulierten hin und her, entschieden uns aber dann beim ursprünglichen Plan zu bleiben, was sich im Nachhinein auf alle Fälle als richtig erwiesen hat. Wir wären beim Abstieg über den Josefinensteig im Dunklen auch schon sehr, sehr müde (und somit vermutlich unkonzentriert) gewesen, hätten am nächsten Tag mehr oder weniger ausgeschlafen und wären dann auch nicht früher zurück im Tal gewesen.

Im Sonnenaufgang über den Josefinensteig auf das Hochtor

Die Hütte ist schön. Wie auch schon auf der Klinke-Hütte im vergangenen Herbst hatten die Hüttenwirte auch hier viel zu tun. Weil wir direkt aussprachen, dass wir um 20 Uhr ins Bett wollten, bekamen wir den Platz im „Kinder-Lager“, wobei sich dann herausstellte, dass wir sogar vor den Kindern schlafen gingen. Aber wer kann es uns nach insgesamt 3400 Höhenmetern im Aufstieg verdenken? Um auf mein „Decken-Rucksack-Dilemma“ zurückzukommen: Ich war froh, dass ich meine Decke hatte, Sandro war sogar im Hüttenschlafsack zu warm. Um 4 Uhr endete für uns die Nacht. Wir hatten den Umständen entsprechend gut geschlafen und schlichen uns möglichst ruhig aus dem Raum. Anziehen, Zähne putzen, Stirnlampe ein – los geht’s.

Schon am Vortag hatten wir uns kurz angsehen, in welche Richtung und in welches Terrain wir uns bewegen werden. Somit hatten wir am Morgen erst später am Steig minimale Probleme, weil wir eine Markierung in der Finsternis übersehen hatten. Schon zuvor entledigten wir uns wieder unserer wärmeren Bekleidung. Bereits um 4:30 Uhr war die Temperatur angenehm und kein Wind zu spüren. Fasziniert hat mich extrem, wie ruhig es beim Losgehen war. Weder Grillenzirpen, noch Autos von einer Straße im Tal und eben auch kein Wind waren zu hören. Eigentlich eigenartig, dass gerade diese Stille einen so verwundert.

Nach den ersten Passagen auf dem Josefinensteig wurde es auch schon heller. Hinter unserem Rücken begann der Himmel sich rot zu färben. Wir erlebten einen wunderschönen Sonnenaufgang während wir die 600 Höhenmeter auf den Gipfel kletterten. Das machte mir so viel Freude, dass mir fast die ein oder andere Freudenträne auskam. Auch Sandro hatte sichtlich Spaß und ihm wurde wieder einmal bewusst, wie gern er sich in den Bergen bewegt. Schon bald erblickten wir den Gipfel vor uns. Direkt darunter schaute eine Gams („Na, des is koa Mensch, Anja! Du siachst schlecht!“) ins Tal.

Am Hochtor-Gipfel – dem höchsten im Gesäuse – genossen wir herrliche Ruhe. Wie oft kommt dies auf diesem bekannten Berg wohl vor? Wir waren die ersten an diesem Tag und verspeisten unser Käse- bzw. Schinkenbrot, welches wir von der Hesshütte mitgebracht hatten. Noch einmal tief durchatmen – was für ein Moment!

Die Konzentration brauchte es dann auch im Abstieg über das Schneeloch. Leichte Kletterpassagen bewältigten wir sicher aber zügig und begegneten einige Höhenmeter unter dem Gipfel dem ersten „fremden“ Bergsteiger an diesem Tag. Weitere sollten folgen. Abstiege sind ja generell sehr zach. Dieser rund 1500 hm Abstieg nach dem vorangegangenen Tag und dem frühen Aufstehen am Morgen verlangten uns – vor allem geistig – einiges ab. Ich hatte kurz vor dem Kölblwirt mit Müdigkeit zu kämpfen. Was mich rettete: Ein eiskalter Gebirgsbach direkt neben dem Gasthaus. Ich liebe ja Wasser und man kann mich nur schwer davon abzuhalten reinzugehen – wenn ich irgendwo eines erblicke. Ganz im Gegensatz zu Sandro. 😉 Somit setzte ich mich in meiner Shorts in das eiskalte Wasser, während Sandro gerade so die Zehen ins Wasser streckte. Was für eine Wohltat! Raus und gleich noch ein zweites Mal. Ich war wieder voll da! Sandro auch, nachdem er sich eine wieder Kaspressknödelsuppe beim Kölblwirt gönnte. Danach folgte wieder der Wechsel in die Radmontur. Die Heimat ruft!

„Die Schanz fahr i heuer sicha net mehr!“

Bis Eisenerz rollte es richtig gut. Das Gelände, dass sich auf der Hinfahrt als zach erwiesen hat, war auf dem Retourweg natürlich lustig und schnell, weil bergab. Als wir die imposante – wenn nicht sogar eine DER imposantesten Brücken – vor uns entdeckten, drückten wir uns sicherheitshalber noch schnell ein Energy Gel in den Hals. Ja, von der Eisenerzer Seite ist der Präbichl doch schwerer. Die Aussicht und das Erlebnis war aber der absolute Wahnsinn. Allein die Höhe der Brücke und der Blick auf Eisenerz und den Erzberg! Das ließ auch diese Höhenmeter vorübergehen – auch wenn wir nicht empfehlen können, diese um 13 Uhr bei 34 Grad zu fahren.

Der härteste Teil sollte allerdings erst kommen! Nach der flachen bis leicht fallenden Passage über Vordernberg und Trofaiach machten wir wieder Jausen- und vor allem Trinkpause beim Spar in Leoben. Meine weiseste Entscheidung an diesem Tag: Das warme Red Bull, welches ich seit dem Vortag in meinem Rucksack mit mir herum gefahren habe, dort zu belassen und ein kühles beim Spar zu trinken. Das warme sollte ich nämlich noch dringend benötigen. Die Kilometer bis nach St. Marein gingen – bis auf die nervigen roten Ampeln durch ganz Leoben – ganz gut dahin.

Wie wir schon bei der Fahrt von Mariazell retour heim gelernt hatten, ist die Anfahrt zur Schanz von der Mürzer Seite richtig mühsam. Eine nicht enden wollende, immer leicht steigende Straße macht ein hohes Tempo – vor allem nach diesen Vorbelastungen – nicht wirklich möglich. Und so sehnt man sich bereits nach dem „richtigen“ Anstieg auf die Schanz. Das orange Haus – welches ich mir bei der Mariazell-Fahrt als mein „Erlöser“ gemerkt hatte – kam endlich in Sicht. Als wir in den Anstieg einfuhren, wurde mir aber gleich bewusst, dass dies nochmal ein ganzes Stück härter, als nach der Mariazell-Fahrt werden würde. Meine Beine – und auch meine Arme – fühlten sich bereits in der ersten Kehre an wie Pudding. So fühlt es sich also an, wenn der Blutzucker so richtig im Keller ist. Ja, hier war die „Blea-Grenze“ fast überschritten! Nun bekam aber das „soachwoame“ Red Bull seinen großen Auftritt. In Kombination mit einem weiteren Energy Gel verfestigten sich die Pudding-Extremitäten wieder und wir radelten im Schneckentempo nach oben. Sandro musste hinter mir bleiben und sich möglichst ruhig verhalten. Meine Nerven waren schon leicht angerissen. Und wer hat mir eigentlich den Floh ins Ohr gesetzt, dass es nach Fischbach nur mehr bergab geht??

Wir erinnern uns an einen der Plank-Brüder und seinen Spruch: „Wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo noch ein Anstieg daher!“

Von Pöllau heim sind wir noch immer gekommen

Unser Motto, dass wir uns selbst zurechtgelegt hatten. Die Anstiege von Birkfeld nach Pöllau wurden mit einem Sonnenuntergang ausgeschmückt. Bei der Einfahrt in den Anstieg von Pöllau zum „Auer Kreuz“ war es bereits so gut wie dunkel. Lichter an, Augen zu und durch! Viele Gesprächsthemen hatten wir nicht mehr. Nur das ständige Knacksen von Sandro’s Rad (er hatte die Kurble nicht genug gefettet, als er sein Rad die Tage davor auseinander nahm und wieder zusammenbaute) erfüllte die Dunkelheit. Ich kenne diese Strecke fast in- und auswendig und zähle immer die Lichtungen auf diesem Anstieg. Man fährt hier 3x in den Wald und kommt 3x wieder auf freiem Geländer heraus. Beim dritten Mal ist man dann oben. Leise murmelte ich „drei“, als wir die letzten paar Höhenmeter bewältigten. Geschafft! Vorsichtig rollten wir bis in unser trautes Heim, um nicht noch ungewollt von einem Reh gestoppt zu werden. Was für ein Tag!!

Auch hier möchten wir wieder einmal anmerken, dass es uns bei „Hochtor by fair means“ und vielen anderen Aktionen nicht um Leistung und „schneller, weiter, besser“ geht. Wir haben einfach Spaß daran, Neues auszuprobieren und uns selbst einer Herausforderung – ganz ohne Wettkampfdruck – zu stellen. Hinzu kommt auch immer der Abenteuer-Faktor, der bei diesen 2 Tagen Hochtor by fair means natürlich vollkommen gegeben war. Mit diesen Distanzen werden wir diese Aktion wohl nicht soo schnell wiederholen. Trotzdem finden wir den Gedanken dahinter noch immer richtig, richtig cool und werden uns bei der ein oder anderen zukünftigen Bergtour immer fragen: Ist das auch „by fair means“ möglich?

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